Johann Künzle

Die Käuter

Johann Künzle

Biographie
Kräuterpfarrer Johann Künzle, 3. September 1857 bis 9. Januar 1945

Herkunft und Familie
Erste Erfahrungen und Eindrücke, die auf einen Menschen in frühster Jugend einwirken, können wegbestimmend sein und ihn nachhaltig beeinflussen. So lesen wir in den verschiedenen Bio-graphien über den «Kräuterpfarrer» Johann Künzle, dass er im elterlichen Bauernbetrieb direkt mit den Dingen, die das Leben einem abverlangen, vertraut wurde. Hier erlernte er als Jüngster von insgesamt 12 Kindern das strukturierte Tageswerk der Eltern. Das Pflegen und Betreuen der Tiere wie auch die Feld- und Gartenarbeit mussten im Gleichgewicht bestellt werden, damit die Familie damit ihr Auskommen finden konnte. Eine umsichtige Mutter war durch ihre Fürsorge für die Familie ebenso prägend wie auch der Vater, der dem Kind die Schönheit der Dinge in der Natur zeigte und erklärte. So lernte er, dass man diese Pflanzen ganz natürlich in den Alltag einzufliessen lassen kann. Der Vater hielt den Sohn an, auf Spaziergängen die Pflanzen genau zu beobachten und deren Namen zu lernen. Dass er mit diesem Wissen das Rüstzeug zum Natur-heilarzt erwarb, war ihm damals nicht bewusst. Das Ganzheitliche der Dinge und ihre Wirkung auf das Leben zogen den jungen Mann in seinen Bann.

Schulbildung – Gymnasium – Priester
Damals war es üblich, dass ein begabtes Kind aus einer armen und kinderreichen Familie den Priesterberuf ergriff, denn nur so konnte es ein Gymnasium besuchen. Die Familie, inzwischen vaterlos, kam dem Wunsch des jüngsten Sprosses nach, Priester zu werden. Johann Künzle besuchte das Knaben-Seminar St. Georgen bei St. Gallen. Im Benediktiner-Kollegium Einsiedeln schloss er das Gymnasium ab. In Pater Ludwig Staub fand er den Botanik-Professor, der es verstand, dem wissbegierigen jungen Gymnasiasten als «Spiritus Rector» vorzustehen und auf die spätere Berufung als Kräuterpfarrer einzuwirken. Das anschliessende Studium für Theologie und Philosophie erfolgte in Belgien.

Primiz – erste Anstellungen
1880 zurückgekehrt in die Schweiz, erfolgte Ostern 1881 die Primiz in der Kathedrale St. Gallen. Der junge Pfarrer wurde sofort als Vikar nach Gommiswald entsandt. Eine Versetzung folgte der anderen: nach Mels SG, ins toggenburgischen Kirchberg SG, in die Bergpfarrei Libingen SG und von 1890 bis 1893 als Pfarrer nach Amden SG. Pfarrer Künzle fand durch seine unkomplizierte, direkte Art immer den Weg in die Herzen seiner ihm anvertrauten Menschen. Das vielseitige Hel-fen beinhaltete auch die Pflege von Kranken, was zur Erkenntnis einer ganzheitlichen Sichtweise für das Wohlergehen des Einzelnen führte, was ihn später zum Kräuterpfarrer werden liessen. Sein Wissen über einfache Heilmethoden, wenn kein Arzt zugegen war, rettete manch einen vor dem Tode. Neben der Sorge für die Seelen wuchs immer mehr die Sorge für das körperliche Wohl der Pfarrkinder.

Das Amt als Redaktor
Als begnadeter Schreiber übernahm er neben dem Pfarramt die Redaktion «SS Eucharistia», später die von «Pelikan» und «Emanuel». Die Abonnentenzahlen verzeichneten unter seiner Führung einen beachtlichen Zuwachs. Mit dem grossen Leserkreis entstand ein erheblicher Brief-verkehr, der in Amden die Einführung der Poststelle zur Folge hatte. Von 1893 bis 1897 war er in Feldkirch Chefredaktor der Monatszeotschrift «Pelikan».

Das Wissen der Herrgottsapotheke
Nach Amden wurde Pfarrer Künzle Pfarrer in Buchs SG. Ab 1907 amtete er für zwei Jahre in Herisau AR. Dort konnte er auf einer Gant das Medizinalkräuterbuch des im 16. Jahrhundert in Basel verstorbenen Medizinprofessor Dr. Jakob Theodor Tabernæmontani ersteigern. Das umfangreiche Werk beschrieb die Pflanzen aus botanischer wie auch aus medizinischer Sicht, mit Hinweis auf deren Verwendung, bis zurück ins Altertum. Somit basierte sein Wissen nicht nur auf natur-, sondern auch auf medizinischem Ursprung. Seine Studien ergänzte er weiter durch Erkenntnissen aus dem Werk der Hildegard von Bingen. Immer auf der Suche nach der Heilwirkung einer Pflanze, verfeinerte er sein Wissen und setzte dieses um. In seiner Pfarrei gehörte die Sorge um das Wohlergehen der Menschen zur Seelsorge. Der Strom von medizinisch hilfesuchenden Menschen nahm zu.

Die letzte Pfarrstelle
1909 bis 1920 amtete Pfarrer Künzle in Wangs SG. In jenen Jahren festigte sich sein Wirken als Naturheilarzt. Die Arbeit als Seelsorger stand jedoch stets im Vordergrund. 1911 erschien «Chrut & Uchrut». Eine Schrift, die zu einem erschwinglichen Preis erstanden werden konnte und in einer für alle verständlichen Sprache verfasst war. Von der ersten Auflage wurden 60‘000 Exemplare verkauft, später waren es gesamt über 2 Millionen. Parallel dazu erschien der Kräuteratlas. Ein praktisches Heft, mit den notwendigen Angaben zu Erkennung der Heilpflanzen mit Hinweisen, wann diese zu sammeln sind. Auch hier lancierte er einen Bestseller, der in über
1 Million Exemplaren verkauft wurde. Der Kräuterpfarrer kannte viele Helfer und Helferinnen, die ihn beim Kräutersammeln unterstützten. 1914 organisierte er im Frühling in Wangs SG einen Kräutermarkt, der grosse Beachtung fand.

Pfarrer oder Naturheilarzt
Im Kanton St. Gallen war das Praktizieren als Naturheilarzt nicht erlaubt. Die zuständigen Ob-rigkeiten rieten dem Pfarrer, nachdem er vom Dorfarzt beim zuständigen Bischof angeschwärzt wurde, das «Doktern» aufgeben. Einem Befehl hätte er gehorcht, nicht aber einer Empfehlung. Der damalige Churer Bischof hingegen machte dem eigenwilligen Mann Mut und empfahl ihm, sich in seiner Diözese niederzulassen. 1920 zog daher Pfarrer Künzle mit seiner Nichte, welche ihm als Haushälterin und Sekretärin seit Jahren zur Seite stand, nach Zizers GR. Nach diesem Ortswechsel wandte er sich ganz der Naturheilkunde zu. Der Zulauf auch am neuen Ort war
enorm. Wo Freud ist, ist auch Leid. In Zizers GR wirkten bald Neider gegen den erfolgreichen Kräuterdoktor und zeigten ihn bei den Obrigkeiten in Chur an. Wieder stand Pfarrer Künzle im Kreuzfeuer der Kritik. Der Unmut in der Bevölkerung gegen diese Machenschaften war gross. Gross war auch das Engagement der Bevölkerung, sich mit einem eigenen Willen bei der Arztwahl durchzusetzen. Nach einer Unterschriftensammlung kam es zur berühmten Abstimmung über die Heilkräuterinitiative im Kanton Graubünden. Das Volk entschied sich klar für deren Zulassung.

Der Naturheilarzt muss zum Examen
Um seines Amtes walten zu können, musste der inzwischen 65-Jährige in Chur zu einer Prüfung beim Sanitätsdepartement antreten. Das Erstaunen der Examinatoren war gross, als der Prüfling sich erkundigte, ob er die gestellten Fragen in Latein oder Griechisch beantworten solle. Nach dieser Hürde konnte sich Pfarrer Künzle seinen Patienten, seinen Studien, seiner verlegerischen Tätigkeit und seiner Heilkräuterproduktion widmen. 1939 gründete er in Zizers GR die «Kräu-terpfarrer Künzle AG». Ein Betrieb von beachtlicher Grösse entstand, unzählige Kräutersammler lieferten ihre gesammelten Pflanzen in der Kräuterapotheke in Zizers GR ab.

Das Vermächtnis
Seine gesammelten Erfahrungen verarbeitete der Kräuterdoktor im «Das grosse Kräuterheil-buch», das 1944 kurz vor seinem Tode erschien. Mit diesem Werk übergab er sein Vermächtnis der leidgequälten Menschheit, auf dass sie sich jederzeit Rat holen konnte. In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1945 verstarb Pfarrer Johann Künzle mit 87 Jahren in seinem Heim in Zizers GR. Am 11. Januar wurde er in Wangs SG, seiner letzten Seelsorgegemeinde, zu Grabe getragen.

 

Quelle: ArtEventas, www.chrutunduchrut.ch
Literatur:
Kräuterpfarrer Johann Künzle «Das Grosse Kräuterheilbuch», Verlag Albatros, 2006, unveränderter Nachdruck der Erstausgabe von 1945
«Chrut und Uchrut» von Kräuterpfarrer Joh. Künzle, Verlag Kräuterpfarrer Künzle AG, CH-6648 Minusio (Schweiz), aktualisierte und überarbeitete Ausgabe von Peter Oppliger, 2007, AT Verlag